Gastschulantrag 2023/24 - Thüringen, Bayern und Hessen

1. Wunschschule in der aktuellen Situation

Der Weg in die Wunschschule führt oftmals über einen sogenannten Gastschulantrag. Deren Zahl steigt die letzten Jahre kontinuierlich an. Damit einhergehend kommt es zu mehr Ablehnungen. 

 

Immerhin führen Schulwechsel aus staatlicher Perspektive zu höherem Verwaltungsaufwand. Gleichzeitig ist die Aufnahmekapazität – speziell begehrter – Schulen natürlich begrenzt. Weiterhin macht sich der Lehrermangel immer stärker bemerkbar. 

 

Vor diesem Hintergrund finden Sie nachfolgend Informationen zur Antragstellung (Begründung, gesetzliche Voraussetzungen etc.). 

2. Allgemeine Tipps zur Antragstellung

Hier finden Sie zunächst allgemeine Tipps zur Antragstellung; anschließend geht es um die spezifischen Besonderheiten in Thüringen, Bayern und Hessen

 

In allen Bundesländern treffen die zuständigen Stellen eine sogenannte Ermessensentscheidung. Mit anderen Worten steht den Behörden ein Entscheidungsspielraum zu. Dies bedeutet aber nicht, dass sie nach Belieben oder gar willkürlich vorgehen dürfen, da das Verfahrensrecht eine gesetzlich gebundene Entscheidung vorsieht. Ob die Grenzen des Ermessens überschritten wurden und deshalb eine Entscheidung fehlerhaft ist, kann per Widerspruch und Klage überprüft werden.

 

Daneben kommt aus dem jeweiligen Gesetzestext – abhängig vom Bundesland unterschiedlich stark – zum Ausdruck, dass der Besuch einer anderen als der örtlich zuständigen Schule eine Ausnahme sein soll. Dem liegt eine Spannungsverhältnis von Kindeswohl und organisatorischen Aspekten zugrunde.

 

Nach der Rechtsprechung sind die Belange des Kindes und auch zu einem gewissen Grad die der Familie zwar wichtige Kriterien. Allerdings werden diesen organisatorische Belange – eine möglichst gleichmäßige Aus- und Belastung der einzelnen Schulen – gegenüber gestellt.

 

Es kommt nun für Sie darauf an, darzulegen, dass die Interessen Ihres Kindes und Ihrer Familie demgegenüber bedeutsamer sind. Sie brauchen dies nicht explizit erwähnen. Vielmehr geht es um die Ausrichtung  Ihrer Argumentation.

 

Ihr Antrag sollte ausführlich begründet werden. Immerhin wird etwa die bloße Behauptung, dass pädagogische Gründe für den Besuch einer anderen Schule sprechen, immer unzureichend sein.  Für die dargelegte Gründe sollten Nachweise beigefügt werden.

 

Verzichten Sie darüber hinaus bitte darauf, die örtlich zuständige Schule zu verunglimpfen. Schließlich ist diese in diversen Bundesländern in den Entscheidungsvorgang mit einbezogen. Zudem sind generelle Schwächen einer Schule nicht tauglicher Gegenstand, um einen Gastschulantrag hinreichend zu begründen. Wie zuvor dargelegt wurde, kommt es gerade darauf an, welche Umstände dafür sprechen, dass Ihr Kind ausnahmsweise eine andere Schule besuchen kann.

 

Was den Zeitpunkt der Antragstellung betrifft, so ist es ratsam, so früh wie möglich zu handeln. Schon in Anbetracht der begrenzten Aufnahmefähigkeit ist dies sinnvoll, wenngleich erst zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden mag.

 

So können Sie im Falle einer Ablehnung aus Kapazitätsgründen noch rechtzeitig weitere Gastschulanträge stellen. In einzelnen Regionen mag um die Einreichung bis zu einem gewissen Termin gebeten werden.

 

Achten Sie diesbezüglich auf die Verlautbarungen zuständiger Stellen. Generell sollte der Antrag aber immer gestellt werden können, da sich die Gründe für einen Gastschulbesuch jederzeit ergeben können.

3. Antrag in Thüringen, Bayern und Hessen

In diesem Abschnitt erfahren Sie nunmehr an den Beispielen aus Thüringen, Hessen und Bayern, was für die Begründung des Antrags relevant ist und wo Sie ihn stellen können. Die rechtlichen Bestimmungen und verwendeten Begrifflichkeiten variieren je nach Bundesland.

3.1 Thüringen: Gastschulantrag

Wer einen Gastschulantrag in Thüringen erwägt, stößt auf eine Besonderheit. Hier gibt es teils abgegrenzte und teils gemeinsame Schulbezirke.

 

Bei einem abgegrenzten Schulbezirk gibt es nur eine Grundschule oder Regelschule in dem Bereich.

Ein gemeinsamer Schulbezirk beinhaltet hingegen mehrere Schulen. Sofern die Kapazitäten ausreichen, können Sie zwischen den Schulen in einem gemeinsamen Schulbezirk wählen. Falls die Kapazitäten nicht ausreichen, ist ein Auswahlverfahren vorgesehen. Wichtigstes Beispiel ist die Landeshauptstadt Erfurt. In Erfurt sind nahezu alle Grundschulen in einem gemeinsamen Schulbezirk.

 

Dies führt zu dem paradoxen Ergebnis, dass teilweise Kinder innerhalb dieses riesigen Schulbezirkes ihre Wunschschule nicht zugewiesen bekommen, obwohl eigentlich wichtige pädagogische Gründe vorlägen. Die Schulen verstecken sich dann teilweise hinter einem durchgeführten (Los-)Verfahren. Hier können wir nur allen betroffenen Eltern raten, sich nicht einschüchtern zu lassen: Wenn mit guter pädagogischer Begründung sogar die Einschulung außerhalb des Schulbezirkes möglich wäre, muss dies juristisch erst Recht innerhalb des Schulbezirkes funktionieren.

 

Einen Gastschulantrag benötigen Sie demgegenüber nur, wenn ein Schulbezirkswechsel erforderlich ist, um die Wunschschule zu besuchen. Was für Schulbezirke es in Ihrem Landkreis bzw. Ihrer kreisfreien Stadt gibt, erfahren Sie in deren Schulnetzplänen. Diese finden Sie regelmäßig im Internet. 

 

Wo ist der Antrag zu stellen - wer entscheidet?

 

Die Entscheidung wird von dem Schulamt getroffen, in dem der Schulpflichtige seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Den Antrag können Sie bei der Pflichtschule oder beim zuständigen Schulamt stellen. Dabei wirkt das Schulamt mit den betroffenen Schulträgern und Schulen zusammen.

 

Was ist bei der Begründung zu beachten – welche Normen sind relevant?

 

Gastschulanträge sind in § 15 ThürSchG (Thüringer Schulgesetz) geregelt. Erforderlich ist ein „wichtiger Grund“. Ein solcher kann insbesondere auf sozialen oder pädagogischen Gegebenheiten beruhen. Der Begriff „Insbesondere“ bedeutet, dass daneben auch weitere Gründe angeführt werden, die als wichtig anzusehen sind.

 

Von daher können Sie Ihre Argumentation beispielsweise auf folgende Aspekte stützen: 

  • Es besteht ein sonderpädagogischer Förderbedarf und die Wunschschule ist hierauf ausgerichtet.
  • Aufgrund besonderer familiärer und sozialer Situationen würden Belastungen entstehen, die einen Sonderfall darstellen.

 

Ihre Argumentation sollte aufzeigen, dass es eine übermäßige Belastung darstellt, wenn Ihr Kind nicht die Wunschschule besuchen darf. Immerhin setzen die Verwaltungsgerichte eine "unbillige Belastung" für den Schüler oder seine Eltern voraus, welche entsteht, wenn die Pflichtschule zu besuchen ist (Verwaltungsgericht Meiningen, Urteil vom 08.08.2013 - 1K 294/13 Me). 

 

Führen Sie alle bei Ihnen vorhandenen Gründe an. Wie bereits ausgeführt wurde, sollten die Behauptungen gut begründet werden. Daneben sind dem Gastschulantrag idealerweise Nachweise beizufügen. 

3.2 Hessen: Antrag auf Gestattung des Besuchs einer anderen als der örtlich zuständigen Schule

Wo ist der Antrag zu stellen - wer entscheidet?

 

Ein „Antrag auf Gestattung des Besuchs einer anderen als der örtlich zuständigen Schule“ ist bei der örtlich zuständigen Schule zu stellen, welche ihn an die Schulaufsichtsbehörde weiterleitet. Sie entscheidet im Benehmen mit dem Schulträger.

 

Was ist bei der Begründung zu beachten – welche Normen sind relevant?

 

Die einschlägigen Regelungen für Hessen können Sie dem Hessisches Schulgesetz und der Verordnung zur Gestaltung des Schulverhältnisses entnehmen. Nach § 66 HSchG (Hessisches Schulgesetz) kann der Antrag positiv beschieden werden, wenn ein „wichtiger Grund“  für den Besuch einer anderen Schule spricht und die Aufnahmekapazität an dieser nicht erschöpft ist.

 

Nun stellt sich die Frage, was unter dem unbestimmten Rechtsbegriff „wichtiger Grund“ zu verstehen ist. Der nachfolgende Passage aus einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen gibt hierüber Aufschluss.

 

„Ein wichtiger Grund ist dann gegeben, wen die Bindung an die zuständige Schule mit Nachteilen verbunden ist, die nur einzelne Schülerinnen und Schüler treffen und die so gewichtig sind, dass das öffentliche Interesse an einer planvollen Gestaltung der regionalen Schulorganisation zurücktreten muss. Dabei müssen die Nachteile, die ein Schüler bei dem Besuch der zuständigen Pflichtschule zu erleiden hätte, ungleich schwerer wiegen als das öffentliche Interesse an einer Verteilung der Schüler durch die Einhaltung der Schulbezirke.“

 

(Verwaltungsgericht Gießen, Beschluss vom 30.07.2014 – 7 L 1800/14)

 

Auch diese Beschreibung verbleibt noch etwas vage. Eine nähere Konkretisierung erfährt der Begriff in § 4 Abs. 2 VOGSV (Verordnung zur Gestaltung des Schulverhältnisses). Die aufgezählten Gründe sind nicht abschließend, da es sich um sogenannte Regelbeispiele handelt. Demnach können Sie auch weitere Gründe geltend machen. 

 

So zum Beispiel:

  • die zuständige Schule ist aufgrund der Verkehrsverhältnisse nur unter besonderen Schwierigkeiten zu erreichen;
  • der Besuch einer anderen Schule würde dem Schulpflichtigen die Wahrnehmung eines Berufsausbildungs- oder Arbeitsverhältnisses erheblich erschweren;
  • gewichtige pädagogische Gründe oder besondere soziale Umstände sprechen für den Besuch einer anderen Schule

 

Im Idealfall können Sie Ihren Gastschulantrag eindeutig mittels einem oder mehreren der genannten Umstände begründen. Gerade in Grenzfällen empfiehlt es sich eine überzeugende Argumentation zu entwickeln. Selbiges gilt für Gründe, die hier nicht genannt wurden. Im Zweifelsfall können wir Ihnen gern behilflich sein, einen möglichst überzeugenden Antrag zu stellen.

3.3 Bayern: Gastschulantrag

Wo ist der Antrag zu stellen - wer entscheidet?

 

Sie können den Antrag bei der Gemeinde, der Gastschule oder der zuständigen Sprengelschule  – Begriff für die örtlich zuständige Schule in Bayern – abgeben. Immerhin wird in Bayern von der Gemeinde über einen Gastschulantrag entschieden, in welcher der Schüler seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die Entscheidung ist im Einvernehmen mit dem aufnehmenden Schulaufwandsträger zu treffen. Die betroffenen Schulen werden angehört.

 

Was ist bei der Begründung zu beachten – welche Normen sind relevant?

 

In Bayern finden Sie Regelungen zu Gastschulanträgen in Art. 43 Abs. 1 BayEUG (Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen). Nach der Bestimmung sind zwingende persönliche Gründe für eine Gestattung erforderlich, weshalb Sie in Ihrem Antrag darlegen sollten, dass solche in erster Linie bei Ihrem Kind für den Besuch einer eigentlich nicht zuständigen Schule sprechen.

 

Das bayerische Landesrecht stellt mit der Voraussetzung „zwingende persönliche Gründe“ höhere Anforderungen an die Begründung als andere Bundesländer.

 

Wenn Sie nun darüber nachdenken, ob in Ihrem Fall derartige Umstände gegeben sind, können Ihnen die folgenden Leitsätze aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts München  Orientierung bieten:

 

„Für den gastweisen Besuch einer Grundschule muss eine individuelle Ausnahmesituation vorliegen, die es unter Berücksichtigung des Wohls des Kindes unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unzumutbar macht, die zuständige Sprengelschule zu besuchen. Dabei genügen für eine Ausnahme von der Sprengelpflicht allerdings nicht bereits allgemein auftretende Schwierigkeiten, die eine größere Anzahl von Eltern und Schüler betreffen; vielmehr muss es sich um individuelle Umstände handeln, die eine vom Normalfall abweichende, durch den Besuch der Sprengelschule bedingte Belastung ergeben.“

 

(Verwaltungsgericht München, Beschluss vom 11.09.2015 – M 3 E 15.3445)

 

Gerade wegen der restriktiven Rechtslage kann es sich in Bayern anbieten, den Gastschulantrag von einem Anwalt begründen zu lassen. Die Rechtsanwaltskanzlei Holstein ist Ihnen hierbei gerne behilflich.

4. Weitere Hinweise zum Antragsverfahren

Es gibt viele verständliche Gründe für den Besuch einer örtlich nicht zuständigen Schule. Gleichwohl wird dieses Ansinnen nur in begründeten Ausnahmefällen gewährt. Mittels der vorherigen Ausführungen sollte es in vielen Fällen möglich sein, den Gastschulantrag überzeugend zu begründen.

 

Im Falle eines negativen Bescheids können Sie sich immer noch im Hinblick auf einen Widerspruch und eine Schulplatzklage beraten lassen. Darüber hinaus erfahren Sie auch in dem ersten Blogbeitrag zu den Gastschulanträgen, wie mit einer entsprechenden Entscheidung umzugehen ist.

 

Sollten Sie sich bereits bei der Begründung Ihres Gastschulantrags unsicher sein, können wir Sie gern bereits im Rahmen des Antragsverfahrens beraten. So können die Erfolgsaussichten erfahrungsgemäß deutlich erhöht werden.