Warum Ihre Anwaltskosten höher als die gesetzliche Vergütung sind: Ein Blick hinter die Kulissen

 

Um die Thematik der nicht mehr ausreichenden gesetzlichen Anwaltsvergütung zu verstehen, ist es wichtig, sich die Entstehung und die Hintergründe des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) vor Augen zu führen. Das RVG wurde 2004 in Kraft gesetzt und legt die Vergütung für rechtsanwaltliche Leistungen fest, wobei es sich dabei von Anfang an eher um eine Mindestvergütung handelte, denn Anwälte können vom RVG abweichen - oftmals jedoch nur nach oben. Obwohl nun die Verbraucherpreise in Deutschland seit 2004 um etwa 45 Prozent gestiegen sind, wurde die gesetzliche Vergütung nur einmal zum 1. August 2013 um ca. 12 Prozent und einmal zum 1. Januar 2021 um ca. 10 Prozent angepasst. Diese Diskrepanz wirft die Frage auf, wie Anwälte in Anbetracht jener Zahlen heute überleben können.

 

Die Antwort ist, dass Anwälte, wie alle anderen auch, von der Inflation betroffen sind. Die gestiegenen Verbraucherpreise bedeuten, dass die Kosten für Lebenshaltung, Betriebskosten und Geschäftsausgaben gestiegen sind. Insbesondere die Lohnkosten sind ein signifikanter Faktor. Viele Kanzleien beschäftigen Mitarbeiter, deren Gehälter und Sozialabgaben bezahlt werden müssen. Diese Kosten sind zwischen 2004 und 2023 sogar um etwa 50 Prozent gestiegen.

 

Zudem haben andere Kosten, wie Miete, Energiekosten und Ausgaben für Technologie und Software, in den letzten Jahren überproportional zur Inflation zugenommen. Ein modernes Anwaltsbüro kommt ohne eine hochwertige IT-Infrastruktur und aktuelle Software kaum noch aus, die allerdings mit erheblichen Kosten verbunden sind.

 

Um diese Kosten zu decken und gleichzeitig einen angemessenen Lebensunterhalt zu sichern, haben die meisten Anwälte heute keine andere Wahl mehr, als teilweise Gebühren über den gesetzlichen Sätzen zu verlangen. Das ist keine Bereicherung des Einzelnen, sondern eine Notwendigkeit, um die Qualität der anwaltlichen Dienstleistungen aufrechtzuerhalten. Zugleich ist es so, dass die Reallöhne der Gebührenzahler, also der Mandanten, im Durchschnitt zwischen 2004 und 2023 - trotz der schweren Inflationszeiten in den letzten Jahren - insgesamt leicht gestiegen sind, es also gesamtgesellschaftlich auch nicht unverschämt ist, einen Ausgleich für gestiegene Kosten zu verlangen.

 

Aber warum erstattet die Gegenseite oder die Rechtsschutzversicherung nur die gesetzlichen Gebühren? Das liegt daran, dass ihre Verpflichtung auf die im RVG festgelegten Gebühren beschränkt ist. Sie sind nicht dazu verpflichtet, höhere Gebühren zu erstatten, die über diese gesetzlichen Gebühren hinausgehen. Der Mandant muss also die Differenz selbst tragen.

 

Die Frage, die sich stellt, ist warum es keine weitere Anpassung der Rechtsanwaltsvergütung gibt. Die gestiegenen Kosten machen auch den Anwälten zu schaffen. Vom Gesetzgeber fordern sie daher dringend eine Anhebung ihrer Vergütung. Anwaltsverbände wie der Deutsche Anwaltverein (DAV) und die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) fordern eine lineare Anpassung der Gebühren, die an die Verbraucherpreise und die allgemeine Einkommensentwicklung angelehnt ist. Schon 2018 haben DAV und BRAK in einem gemeinsamen Katalog neben strukturellen Verbesserungen eine regelmäßige Anpassung der Rechtsanwaltsvergütung gefordert. Sie argumentierten, dass diese unerlässlich sei, da steigende Kosten u.a. für Gehälter und Gewerbemieten die Kostenbelastung der Kanzleien immens erhöhten. Angesichts der derzeitigen überhohen Inflation, die die Kosten in den Kanzleien in die Höhe treibt, wird die Dringlichkeit dieser Forderung umso deutlicher.

 

Ein Anwalt verdient für dieselbe Tätigkeit heute knapp 25 % weniger als noch vor etwa 20 Jahren - im Vergleich zur Reallohnentwicklung im selben Zeitraum sogar fast 30 % weniger. Es wird Zeit, dass sich daran etwas ändert, denn die Leidtragenden sind oftmals die Rechtssuchenden - sei es durch eine zu geringe Anwaltsdichte gerade in ländlichen Gebieten oder durch fehlende Erstattungen durch Dritte, die eine Gerechtigkeitslücke entstehen lassen. Beides unterminiert auch den Rechtsstaat.