
Was ist passiert?
In einem aktuellen Eilverfahren zur Schulplatzvergabe nach § 59a NSchG hat der 2. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts die wesentlichen Argumente unserer Beschwerde aufgegriffen. Auf Basis dieser Hinweise kam es zu einem Vergleich mit sofortiger Aufnahme des Kindes an der Wunschschule. Damit stellt der Senat zentrale, teils über Jahrzehnte tradierte Linien erkennbar in Frage – ein wichtiges Signal für niedersächsische Familien.
Worum ging es vor Gericht?
Es war ein klassischer Übernachfrage-Fall: begrenzte Plätze an einer weiterführenden Schule, ein Losverfahren mit Modifikationen (u. a. mit dem Vorrang für Geschwisterkinder und einer Differenzierung nach Leistungsgruppen). In der Beschwerde haben wir u. a. dargelegt:
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einen eindeutigen Anordnungsgrund unter anderem wegen extrem langer ÖPNV-Schulwege zu Alternativschulen,
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Fehler- und Dokumentationsdefizite im Auswahl-/Losverfahren und
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den Anspruch auf Aufnahme bis zur äußersten Funktionsgrenze, wenn die Schule eigene Auswahlfehler begangen hat – getragen von Art. 19 Abs. 4 GG (Gebot des effektiven Rechtsschutzes).
Der Senat hat diese Linien im Kern aufgegriffen; das Ergebnis war die unverzügliche Aufnahme des Kindes im Wege eines daraufhin geschlossenen Vergleichs.
Drei Weichenstellungen aus Lüneburg
Folgende Erwägungen gelten nun auch in Niedersachsen:
1) Anordnungsgrund: Unzumutbare Schulwegzeiten
Wird ein Kind auf Alternativschulen verwiesen, deren tatsächliche Pendelzeiten (ÖPNV) pro Strecke an die 90 Minuten heranreichen, kann das jedenfalls den Anordnungsgrund im Eilrechtsschutz tragen. Eine Verweisung auf „irgendeine“ Schule derselben Schulform genügt jedenfalls dann nicht – ohne dass Familien zuvor ein separates Beförderungsverfahren führen müssen. Praktische Folge: Zu Schuljahresbeginn steigen die Erfolgschancen gut begründeter Eilanträge gerade (aber nicht nur) in Flächenkreisen.
2) Geschwisterkinder-Privileg: Abschlussklassen regelmäßig irrelevant
Der Senat deutet an: Abschlussklassen fallen im Regelfall nicht unter das Geschwisterkinder-Privileg, weil im (kommenden) Aufnahmeschuljahr kein realistischer gemeinsamer Schulbesuch der Geschwister mehr zu erwarten ist. Die Konsequenz: Gerade in diesem Punkt häufige Fehlzuordnungen lassen sich angreifen – mit unmittelbarer Wirkung auf die Auswahlchancen der abgelehnten Bewerber.
3) Eigene Auswahlfehler & „Kapazität“
Statt am Dogma „Kapazität voll → Aufnahme ausgeschlossen“ festzuhalten, rückt der Senat die Fehlerfolgen in den Mittelpunkt: Bei eigenen Auswahlfehlern der Schule spricht viel für eine Aufnahme trotz formaler Ausschöpfung – bis zur äußersten Funktionsgrenze der Schule. Hintergrund ist der verfassungsrechtlich gebotene effektive Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG: Würde die Behauptung „die Kapazität ist aufgrund der Fehler der Schule erschöpft“ stets greifen, würde jeder Fehler stets „neutralisiert“ und jeder Rechtsschutz liefe ins Leere. Das sieht nun auch das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht so - und schließt sich damit den meisten Oberverwaltungsgerichten der anderen deutschen Bundesländer an.
Ergebnis und was Familien in Niedersachsen nun tun können
Auf Basis der gerichtlichen Hinweise wurde ein Vergleich geschlossen, der die sofortige Aufnahme des Kindes an der Wunschschule vorsah. Für die Familie bedeutete das: Das Kind konnte die Wunschschule nach einigem Ringen doch noch besuchen.
Wir vertreten seit Jahren Schulplatzfälle in allen Bundesländern - auch in Niedersachsen. Unsere Strategie kombiniert:
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präzise Verfahrensrügen (Loslisten, Protokolle, Geschwisterkinder-Zuordnung),
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realistische ÖPNV-Zumutbarkeitsanalyse und
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den Art. 19 Abs. 4-Hebel gegen formale Kapazitätsargumente.
Schnell. Präzise. Konsequenz in der Umsetzung.